Das Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit
von Geräten (EMV-Gesetz)
Dieser Artikel entstand ursprünglich für das
Diskettenmagazin "AmigaGadget".
- Einleitung
Am 9.November 1992 wurde vom damaligen Bundespräsidenten
Richard von Weizsäcker das "Gesetz über die elektromagnetische
Verträglichkeit von Geräten" (kurz und im folgenden:
EMV-Gesetz) ausgefertigt und von Bundeskanzler Helmut Kohl und
dem damaligen Bundesminister für Post und Telekommunikation
Christian Schwarz-Schilling gegengezeichnet. Die Existenz und
die praktische Bedeutung dieses Gesetzes sind der Öffentlichkeit
bis dato kaum ins Bewußtsein gedrungen. Da gerade auch Computer
und andere Geräte im Bereich der Informationstechnologie
vom EMV-Gesetz betroffen sind, soll nun versucht werden, kurz
den Inhalt und die Relevanz dieses Gesetzes zu umreissen - es
sei jedoch explizit darauf hingewiesen, daß der Verfasser
sich hier auf sehr dünnem Eis bewegt. Es handelt sich nämlich
nicht nur um ein recht diffiziles Rechtsgebiet - zum EMV-Gesetz
gibt es darüber hinaus kaum einschlägige Literatur.
Weiterlesen erfolgt mithin auf eigene Gefahr.
- Die EG-Richtlinie(n)
Ausgangspunkt des EMV-Gesetzes ist die EG-Richtlinie
89/336/EWG "zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstatten
über die elektromagnetische Verträglichkeit" (veröffentlicht
in ABl. Nr.L 139 vom 23.5.1989, S.19), die am 3. Mai 1989 verabschiedet
wurde. Mit ihr sollte nach und nach das Recht der einzelnen EG-Staaten
so harmonisiert werden, daß ein einheitlicher Schutz gegen
elektromagentische Störungen durch elektrische und elektronische
Geräte geschaffen wird. Gleichzeitig sollte - quasi als Kehrseite
der Medaille - gewährleistet werden, daß elektrische
und elektronische Geräte selbst eine ausreichende Störfestigkeit
besitzen, um in einem normalen elektromagnetischem Umfeld betrieben
werden zu können. Die EG-Richtlinie legte gleichzeitig die
grundlegenden Erfordernisse fest, die auch das spätere nationale
Recht umsetzen müsse. So machte sie in ihrem Anhang III deutlich,
daß "informationstechnologische Geräte" explizit
von der Geltung der Richtlinie umfaßt seien. Eine weitere
Bestimmung, die besonders für die Auswirkungen im Alltag
Bedeutung hat, betraf die an die Hersteller von Geräten gerichtete
Verpflichtung, ab einem gewissen Zeitpunkt die in den Verkehr
gebrachten Geräte mit einem "CE"-Kennzeichen zu
versehen. (Das "CE" steht für "Communauté
Européen".) Der dahinter stehende Gedanke war, mit
diesem Kennzeichen eine Art Passierschein für elektronische
Geräte zu schaffen. Das Inverkehrbringen von mit dem "CE"-Kennzeichen
versehenen Geräten sollte grundsätzlich nicht durch
nationale Rechtsvorschriften, die die elektromagnetische Verträglichkeit
von elektronischen Geräten regeln, behindert werden können.
Damit sollte der Handel von diesen Geräten im Europäischen
Wirtschaftsraum vereinfacht und gleichzeitig ein Mindestniveau
an elektromagnetischen Anforderungen geschaffen werden. Erst bei
Feststellung der tatsächlichen elektromagnetischen Unverträglichkeit
sollten die einzelnen Staaten berechtigt sein, das entsprechende
Gerät aus dem Verkehr zu ziehen, bzw. das Inverkehrbringen
von Geräten gleicher Bauart zu verhindern.
Dabei folgte die Richtlinie schon dem sogenannten "Neuen
Konzept" der Europäischen Normungspolitik. Dieses neue
Konzept trägt dem Umstand Rechnung, daß angesichts
der rasanten technologischen Entwicklung und der zunehmenden Verrechtlichung
wirtschaftlicher und technischer Bereiche es kaum praktikabel
wäre, den (europäischen) Gesetzgeber technische Spezifikationen
vorgeben zu lassen. Somit beschränkt man sich darauf, in
EG-Richtlinien (und später in nationalen Gesetzen) allgemeine
Anforderungen aufzustellen und in einem zweiten Schritt festzulegen,
daß die Einhaltung von harmonisierten europäischen
(und später auch umgesetzen nationalen) Normen zur Vermutung
führt, das Gerät erfülle die Anforderungen der
Richtlinie (bzw. des Gesetzes). Mit anderen Worten: man gibt keine
festen Werte vor, sondern läßt sie von Wissenschaftlern
und entsprechenden Kommissionen ausarbeiten und verweist nur auf
diese Werte. Hält sich ein Gerät an diese Grenzwerte,
dann spricht eine gesetzliche Vermutung dafür, daß
die Anforderungen des Gesetzes erfüllt sind. Diese Vermutung
zu widerlegen, was in der Praxis oftmals nicht ganz sein dürfte,
obliegt dann den einzelnen staatlichen Stellen. Das Verfahren
ist sicherlich nicht ganz einfach zu verstehen und wirft auch
rechtsdogmatisch erhebliche Probleme auf. Die Normen werden nämlich
auf europäischer Ebene in der Regel von zwei Normungskomitees
(dem CEN und dem CENELEC) aufgestellt. Diese Komitees sind aber
internationale Vereinigungen belgischen Rechts und somit strukturell
privater Natur (in ihnen sitzen im wesentlichen Vertreter nationaler
Normungsinstitute - für Deutschland also des Deutschen Instituts
für Normung (DIN) e.V. und der Deutschen Elektrotechnischen
Kommission (DKE)). Damit bekommen aber demokratisch nicht legitimierte
und nicht kontrollierte Institute quasi-gesetzgeberische Funktionen
verliehen, was erhebliche Probleme aufwerfen dürfte (zum
ganzen: Helmig, Ekkehard/Allkemper, Ludwig, Praktische Bedeutung
und Legitimation technischer Europäischer Normen, in: WiB
1995, S.245).
Zu dieser Richtlinie von 1989 wurden 1992 und 1993 ergänzende
EG-Richtlinien verabschiedet, die aber am grundsätzlichen
Charakter der ursprünglichen Richtlinie nichts mehr änderten
und zu einem Großteil nur Begrifflichkeiten auswechselten
(z.B. Ersetzung des Wortes "Europäische Gemeinschaften"
durch "Europäische Union oder eines anderen Vertragsstaates
des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum").
- Das EMV-Gesetz
Da sich EG-Richtlinien nicht an die Bürger der EG-Staaten
sondern nur an die Mitgliedsstaaten selbst richten, waren Umsetzungen
in nationales Recht erforderlich. In der Bundesrepublik Deutschland
ist zum 13. November 1992 das bereits oben erwähnte EMV-Gesetz
vom 9. November in Kraft getreten. Es wurde bisher einmal geändert,
und zwar mit Gesetz vom 30. August 1995. Dabei wurde den Änderungen
der EG-Richtlinien Rechnung getragen, an der grundsätzlichen
Konzeption hat sich auch hier nichts geändert. Wie in der
Richtlinie wird hier nach dem "Neuen Konzept" der Normungspolitik
verfahren. Das EMV-Gesetz vermutet gemäß §4 II
die EMV-Verträglichkeit
[...] für Geräte, die übereinstimmen
- mit den einschlägigen harmonisierten europäischen
Normen, deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
veröffentlicht wurden. Diese Normen werden in DIN VDE Normen
umgesetzt und ihre Fundstellen im Amtsblatt des Bundesministeriums
für Post und Telekommunikation veröffentlicht; oder
- mit einschlägigen nationalen Normen der Mitgliedsstaaten
der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens
über den Europäischen Wirtschaftsraum für Bereiche,
in denen keine harmonisierten europäischen Normen bestehen.
[...]
- Ohne Einhaltung der Normen greift eine Konformitätsvermutung
nur dann, wenn eine entsprechende Bescheinigung einer dazu ermächtigten
Stelle vorliegt. In jedem Falle hat der Hersteller eine Konformitätserklärung
zu erstellen, in der er das Gerät und die Maßnahmen,
die zur Einhaltung der EMV-Anforderungen führen, beschreibt,
und die er für einen Zeitraum von zehn Jahren ab Inverkehrbringen
des Produktes aufbewahren muß. Darüber hinaus muß
er eine CE-Kennzeichnung am Gerät oder - wenn es aus Platzgründen
nicht anders möglich ist - an der Verpackung anbringen. Eine
Sonderbestimmung (§3 VI) sieht vor, daß auf Ausstellungen
und Messen Geräte betrieben werden dürfen, die den Schutzanforderungen
noch nicht entsprechen, sofern der Hersteller oder ein sonstiger
Verantwortlicher explizit darauf hinweist. Ansonsten dürfen
nur noch ordnungsgemäß in Verkehr gebrachte Geräte,
was natürlich alle vor dem 31.12. in Verkehr gebrachte Geräte
erfaßt !, von jedermann betrieben werden, wobei jedoch die
Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung besteht. Für diese
wie auch für die sonstige Ausführung des EMV-Gesetzes
ist das Bundesamt für Post und Telekommunikation (BAPT) zuständig,
das unter anderem dazu ermächtigt wird, Verstöße
gegen das EMV-Gesetz zu untersuchen, was durch eine Auskunftspflicht
für die Beteiligten und eine Betriebsuntersuchungsberechtigung
für das BAPT ermöglicht werden soll, und für die
Zukunft weitere zu verhindern, was bis zum Rückruf von Geräten
führen kann. Darüber hinaus stellen Verstöße
gegen das EMV-Gesetz gemäß §12 eine Ordnungswidrigkeit
(keine Straftat - nicht ganz eindeutig insoweit die Bemerkung
von Hans-Christof Tuchen in der "Mumpitz"-Ecke Nr.8)
dar, die mit Einziehung des betreffenden Gerätes und einer
Geldbuße bis zu 100.000 DM geahndet werden kann. Das Gesetz
sah aus Gründen der Anpassung der Produktion eine Übergangsfrist
bis zum 31. Dezember 1995 vor. Seit dem 1. 1. 1996 müssen
alle neu in Verkehr gebrachten Geräte die Anforderungen des
EMV-Gesetzes erfüllen.
- Die Praxis
In der Praxis gerade auch der Computerindustrie wirft
das EMV-Gesetz eine große Anzahl von Fragen auf. Das beginnt
damit, daß schon fraglich sein kann, was der Kennzeichnungspflicht
unterliegt. Bei einem Computersystem dürften wohl jedenfalls
die einzelnen Komponenten (Rechner, Monitor, Maus, etc.) kennzeichnungspflichtig
sein (vgl. Niebling, Jürgen, Gewährleistung und Produkthaftung
bei fehlender CE-Kennzeichnung, in: DB 1996, S.80). Aber auch
komplexere Bauteile wie Festplatten und Steckkarten dürften
erfaßt sein, nicht hingegen einzelne ICs (vgl. Mailahn,
Marco, in einer WWW-Veröffentlichung der FORMEL computer
GmbH, Flensburg). Ein weiteres Problem ist die Frage, wer "Hersteller"
ist. Das Gesetz selbst definiert den Hersteller als denjenigen,
"der für den Entwurf und die Fertigung eines der EMV-Richtlinie
unterliegenden Produktes verantwortlich ist oder aus bereits gefertigten
Endprodukten ein neues Produkt erstellt oder ein Produkt verändert,
umbaut oder anpaßt". Legt man diese Definition - wie
es der Wortlaut zweifelsohne zuläßt - weit aus, wären
auch Bastelarbeiten am heimischen PC erfaßt, die nicht nur
unerhebliche Auswirkungen auf die EMV des Gerätes haben (vgl.
Mailahn, aaO). Ob hier nicht vielleicht angesichts der gängigen
Praxis der Erweiterungskartentechnik eine sehr vorsichtige Auslegung
angebracht wäre, sei einmal dahingestellt. Zumindest bei
drastischen Veränderungen des Gerätes - etwa durch Einbau
eines neuen Motherboards, einer neuen Grafikkarten, eines neuen
Lüfters und neuer Speichermedien - dürfte auch der "Privatmann"
zum "Hersteller" im Sinne des EMV-Gesetzes werden und
damit den Schutzbestimmungen des Gesetzes unterliegen. Das hat
im Normalfall noch keine außergewöhnlichen Konsequenzen,
da das Gesetz für ausschließlich "in eigenen Räumen"
verwendete Geräte eine Ausnahme von der Pflicht zur Konformitätserklärung
und CE-Kennzeichnung macht (§5 V). Probleme kann es mithin
nur geben, wenn das BAPT feststellt, daß hier ein elektromagnetisch
unverträgliches Gerät betrieben wird - was bei ausschließlicher
und fachmännischer Verwendung CE-gekennzeichneter Bauteile
aber nicht passieren sollte - und daraufhin Nachbesserungen anordnet
oder im Wege des Ordnungswidrigkeitenverfahrens vorgeht. (Ganz
davon abgesehen steht aber zu vermuten, daß das BAPT in
der Regel nicht über die Ressourcen verfügen dürfte,
die eine derartige Kontrolle von Privatpersonen ermöglichen
würden.) Erst wenn das "neue" Gerät die "eigenen
Räume" verläßt, treffen den "Hersteller"
nun die vollen Pflichten des Gesetzes - die Abfassung einer Konformitätserklärung
und die Anbringung eines CE-Kennzeichens sind in diesem Falle
erforderlich.
Hier gilt wie für gewerbliche Hersteller auch, daß
es sich empfiehlt, von der Möglichkeit der gesetzlichen Konformitätsvermutung
Gebrauch zu machen, was am preiswertesten durch Einhaltung der
einschlägigen Normen geschieht (laut Mailahn, aaO, sind das
hier die EN 55022 (Grenzwerte und Meßverfahren für
Funkstörungen von informationstechnischen Einrichtungen)
und EN 50082 (Fachgrundnorm Störfestigkeit), wobei eine EN
55024 (Störfestigkeit für informationstechnische Geräte)
in der Entwurfsphase sei). Dabei wird die Beweiskraft durch ein
Protokoll eines Meßlabors aber natürlich erheblich
gesteigert.
Nicht minder wichtig sind die praktischen Auswirkungen für
den Verbraucher, der besonders jetzt zu Beginn der Geltungszeit
des EMV-Gesetzes desöfteren Geräte erstehen wird, denen
unzulässigerweise die CE-Kennzeichnung fehlt oder die diese
entgegen den Bestimmungen des EMV-Gesetzes tragen. Hier stellt
sich die Frage, ob einem Käufer dabei Gewährleistungsansprüche
erwachsen. Grundsätzlich erfordern diese einen Sachmangel.
Eine Sache ist fehlerhaft, "wenn sie von der vereinbarten
Beschaffenheit abweicht und dadurch ihr Wert oder ihre Tauglichkeit
zum vertraglich vorausgesetzten Gebrauch aufgehoben oder gemindert
ist" (Brox, Hans, Besonderes Schuldrecht, 20. Aufl., S.33).
Grundsätzlich ist es für die Brauchbarkeit eines Gerätes
zunächst vollkommen irrelevant, ob es eine CE-Kennzeichnung
trägt oder nicht (vgl. Niebling, Jürgen, Rechtsfragen
des CE-Zeichens, in: WiB 1995, S.202). Etwas anders kann aber
dann gelten, wenn der vertraglich vorausgesetzte Gebrauch auch
die Weiterveräußerung des Gerätes umfaßt.
In der Praxis wird ein nicht CE-gekennzeichneter Computer weniger
leicht einen Käufer finden können als ein gekennzeichneter
(vgl. Niebling, in: WiB 1996, S.81), so daß es darauf ankommt,
ob diese Veräußerungsoption zum vertraglich vorausgesetzten
Gebrauch gehört. Ist dem so, dürfte in der Tat ein Fehler
vorliegen und damit ein Gewährleistungsanspruch des Käufers
bestehen (vgl. Niebling, aaO). Nicht minder schwierig und einzelfallbezogen
dürfte die zweite Konstellation sein - das widerrechtlich
angebrachte CE-Kennzeichen. Hier scheinen mir zwei Ansatzpunkte
vorzuliegen: zum einen könnte man eventuell darauf abstellen,
daß der Fehler im Nichtvorhandensein eines zulässigerweise
angebrachten CE-Kennzeichens liegt (Warum sollte der nicht zutreffende
CE-Zeichen anbringende Hersteller besser gestellt werden als der,
der überhaupt keine anbringt ? Dies ließe sich nur
begründen, wenn man eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise
der Weiterverkaufsmöglichkeiten vornimmt.). Dann hat man
wieder die oben beschriebene Einzelfallsbetrachtung vorzunehmen.
Der zweite Ansatzpunkt wäre der, im CE-Kennzeichen eine Zusicherung
des Herstellers zu sehen, nach der er für die Einhaltung
der Vorschriften des EMV-Gesetzes einstehen will. An eine Zusicherung
von Produkteigenschaften, die zu Gewährleistungsansprüchen
führen kann, sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen,
ein entsprechender Verpflichtungswille des Verkäufers muß
festgestellt werden können (vgl. Brox, S.39). In der Regel
wird der Hersteller zwar davon ausgehen, daß das von ihm
gekennzeichnete Gerät auch wirklich die gesetzlichen Anforderungen
erfüllt. Sähe man in der Anbringung des CE-Kennzeichens
jedoch einen über das bloße Folgeleisten der Kennzeichnungspflicht
hinausgehenden Erklärungwert (und mithin eine Zusicherung),
würde man dem Hersteller das Risiko aufbürden, auch
für unverschuldetes Nichteinhalten der gesetzlichen Vorschriften
Gewährleistungsansprüche gegen sich gelten zu lassen.
Dieser umfassende Einstandswille dürfte aber in der Realität
kaum anzunehmen sein (vgl. Niebling, in: WiB 1995, S.202).
Für den Verbraucher und den Hersteller nicht minder interessant
dürfte die Frage nach der Produkthaftung bei Verstößen
gegen das EMV-Gesetz sein. Dabei ist zwar grundsätzlich zu
unterscheiden zwischen der Produkthaftung nach dem recht neuen
Produkthaftungsgesetz, das eine verschuldensunabhängige Haftung
des Herstellers für Produktmängel vorsieht, und der
Produkthaftung nach dem BGB, bei der man dem Hersteller (oder
auch dem Händler) Vorsatz oder zumindest Fahrlässigkeit
nachweisen muß. Allerdings ist für beide Haftungsarten
kaum ein Fall vorstellbar, in dem das Vorhandensein- oder Nichtvorhandensein
eines CE-Zeichens selbst den Haftungsanspruch auslösen könnte
(vgl. Niebling, in: WiB 1995, S.202). Und auch die Einhaltung
der materiellen Bestimmungen des EMV-Gesetzes hat zunächst
keine Wirkung, die eine Entscheidung hinsichtlich etwaiger Produkthaftungsansprüche
ohne weiteres in eine Richtung präjudizieren würde.
So sichert die Einhaltung der oben genannten Normen zwar einen
gewissen Mindestsicherheitsstandard. Die technische Entwicklung
und die Gewinnung weiterer sicherheitsrelevanter Kenntnisse kann
jedoch rascher voranschreiten, als Normen aufgestellt werden können.
Rein akademischer Natur ist dann die Frage, ob man in einem solchen
Falle, in dem ein Produkt zwar den Normen entspricht, aufgrund
gewachsenen technischen Wissens aber neue Erkenntnisse hinsichtlich
seiner Gefährlichkeit vorliegen, bereits die Vermutung des
EMV-Gesetzes, ein die Normen erfüllendes Produkt sei EM-verträglich,
entfallen läßt oder ob man die EMV-Verträglichkeit
bejaht, als Mindeststandard jedoch nicht ausreichen läßt
und alleine darauf abstellt, ob der Fehler nach dem Stand der
Technik hätte erkannt werden können. Bei der verschuldensabhängigen
Produkthaftung nach dem BGB dürfte allerdings einiges dafür
sprechen, bei Einhaltung der (möglicherweise veralteten)
Normen zunächst eine Vermutung zugunsten des verkehrsgerechten
Verhaltens des Herstellers oder des Händlers anzunehmen,
die dann erst vom Klagenden widerlegt werden müßte.
Das hat jedoch praktische Relevanz nur in den Fällen, in
denen der Schaden nicht nach dem Produkthaftungsgesetz ersetzt
werden kann, was zum Beispiel bei geringen Schäden (bis 1125,-
DM) der Fall ist oder wenn ein sonstiger Haftungsausschluß
des Produkthaftungsgesetzes einschlägig ist.
Es wird einige Zeit dauern, bis die Existenz des EMV-Gesetzes
und ihre Konsequenzen allen betroffenen Verkehrskreisen bewußt
geworden ist. Ganz entscheidend zu seinem Verständnis werden
mit Sicherheit auch die ersten Gerichtsurteile - insbesondere
hinsichtlich der nicht ganz geklärten Fragen im Bereich des
Gewährleistungsrechtes - beitragen. Dies alles gilt es abzuwarten.
Eines muß aber jedem klar sein: die Einhaltung des EMV-Gesetzes
(und damit das "CE"-Zeichen) ist kein besonderes Qualitätszeichen
neuer Geräte sondern nur die Behauptung des Herstellers,
sich an zwingende gesetzliche Vorgaben gehalten zu haben.
(c) Andreas Neumann
Stand: 26.November 1996
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